Interessantes aus dem Archiv - Vor 100 Jahren - Nachrichten aus dem „Saydaer Anzeiger und Tageblatt“ Monat Juni
„Neuste“ Nachrichten aus Dorfchemnitz, Voigtsdorf, Umgebung und der Welt aus dem
Saydaer Anzeiger und Tageblatt - Juni 1925
2. Juni 1925 – Dorfchemnitz Der hiesige Turnverein (D.T.) begeht am 6. und 7. Juni sein 20jähriges Bestehen mit Fahnenweihe in einem Kommers am Sonnabend in Rudolphs Gasthof und einem Weiheakt, Festzug und Bezirkswerbeturnen am Sonntag. Gutes Wetter wird viele Turner und Turnerinnen sowie Turnfreunde in unseren Ort bringen.
6. Juni 1925 – Tagesübersicht
Überschuß der Reichseinnahmen Die Reichseinnahmen für Monat Mai schließen wieder mit einem erheblichen Überschuß ab, der zwischen 10 und 20% gegenüber dem Voranschlag beträgt.
Das Steigen der Lebensmittelpreise Die Steigerung der Lebensmittelpreise hat sich im Kleinhandel auch nach dem Pfingstfest fortgesetzt. In einer Berliner Markthalle kam es Donnerstag früh zu Lärmkundgebungen der Käuferscharen gegen die Anzahl der Händler, die wegen des schlechten Wetters alle Preise hinaufgesetzt hatten. Die Polizei mußte mehrfach zum Schutze der Händler eingreifen.
Die Postkarte, die alljährlich in vielen Millionen Stücken als billige Nachrichtenübermittlerin in die Häuser flattert, ist ein echtes deutsches Kind und hat es als solches, wie so viele andere Dinge ihres Mutterlandes, die Welt erobert, so daß sie heute Allgemeingut der gesamten schreibenden Menschheit geworden ist. Vor 60 Jahren 1865, wurde sie von dem weitblickenden Generalpostmeister Stephan erstmalig angeregt. Fünf Jahre später, am 6. Juni 1870, wurde sie im deutschen Reich offiziell eingeführt. Von Jahr zu Jahr stieg die Zahl, der zunächst nur für den Inlandsverkehr zugelassenen Neuerung, im postalischen Verkehr: 1872 wurde die „Postkarte mit Rückantwort“ eingeführt und am 1. Juni 1878 wurde die Postkarte durch den Weltpostvertrag für den ganzen Erdball freigegeben. Mancherlei Änderung hat ihr Format bis auf den heutigen Tag erfahren, gar bald gesellte sich zu ihr die Ansichtspostkarte, eine Sache, die heute eine Hundertausenden Lohn und Brot gebende Industrie entwickelt hat.
8. Juni 1925 Dorfchemnitz Das Fest der Fahnenweihe und des 20jährigen Bestehens des hiesigen Turnvereins wurde für unseren Ort ein Ereignis, das noch durch das Bezirksschauturnen des südlichen Bezirkes an Bedeutung gewann. Der Besuch des Festes war bei prächtigem Wetter ein sehr guter, fehlte doch aus dem Bezirk nur ein Verein. Am Sonnabend fand im Rudolphschen Gasthof ein Kommers statt. Der rührige Vereinsvorsitzende, Herr Herklotz, begrüßte die zahlreich Erschienenen und hielt einen Rückblick über die 20 Jahre Vereinsarbeit, die trotz mancher Schwierigkeit sich so glänzend lohnte. Der 2.Gauvertreter Österreich aus Brand sprach Glückwünsche aus für den 9. Freiberger Turngau und fand packende Worte über den Wert des heutigen Turnens. Als Vertreter des Bezirkes sprach Bezirksturnwart Graumnitz aus Zethau in seiner bekannten begeisternden Art. Herr Bürgermeister Erler gab seiner Freude Ausdruck, daß der Bezirk sein Werbeturnen nach Dorfchemnitz gelegt hatte. In einer weiteren Ansprache ehrte der Vereinsvorsitzende langjährige treue Mitglieder, an ihrer Spitze der Gründer des Vereins, Herr Alwin Drechsel. Der Turnrat überreichte seinem tatkräftigen Vorstand ein schönes Geschenk. Schneidige Musik der Korfschen Kapelle und wirkungsvolle gesangliche Darbietungen des Gesangvereins-Dorfchemnitz unter Leitung des Herrn Lehrer Jäkel wechselten ab mit turnerischen Vorführungen der einzelnen Riegen des Jubelvereins, der sein ganzes Können bewies.- An eine feierliche Totenehrung am Kriegerdenkmal am Sonntag früh schloß sich der Kirchgang. In den Vormittagsstunden trafen zu Fuß oder Wagen die Brudervereine des Bezirkes ein. Mittag 1 Uhr fand auf dem Festplatz die Weihe der neuen Fahne statt. Gesänge, Deklomationen und Begrüßungsworte leiteten über zu der vom echten turnerischen Geiste erfüllten Festrede des Herrn Pfarrer Fischer, der in trefflichen Worten die Zeichen der Fahne deutete. Eine reiche Fülle an Geschenken und Wünschen erhielt die Fahne, die stolz und siegreich dem Verein vorangehen soll. Ein schöner Festzug mit Herolden und Festwagen, mit seinen langen Reihen weißgekleideter Turner und Turnerinnen mit den drolligen Kindergruppen bewegte sich durch das reich geschmückte Dorf. Allgemeine Freiübungen der Turner unter Leitung des Bezirksturnwartes Graumnitz wechselten ab mit solchen der Turnerinnen unter Leitung des Bezirksfrauenturnwarts Röntsch und zeigten die straffe Exaktheit der Turner und die gefällige graziöse Turnart der Turnerinnen. Riegenturnen und Sondervorführungen beschlossen das in allen Teilen gelungene Turnfest. Gut Heil!
10. Juni 1925 Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von schönen Tagen – Das Wort gilt auch für die Natur. So angenehm man die freundliche Wärme und das prächtige Wetter empfindet, draußen die Felder und Wiesen lechzen nach Regen, nach dem feuchten Naß, das notwendig ist zur weiteren Entwicklung der Pflanzen. Schon werden Klagen laut in landwirtschaftlichen Kreisen und man kann verstehen, wenn sie wünschen, daß nun recht bald einmal ein befruchtender Regen kommen möge.
15.Juni 1925 – Milchpreise Wie uns mitgeteilt wird, fand kürzlich in Freiberg eine von 500 Vertretern besuchte Bezirkstagung des Sächsischen Landbundes statt, in der eine Resolution angenommen wurde und die sich mit der sehr erheblichen Milchpreissenkung seitens der Molkereien und Händlerverbände befaßt. Der Sächsische Landbund wird darin aufgefordert, dahin zu wirken, daß dem Erzeuger spätestens vom 15. Juni an ein Stallpreis von 26 Pf pro Liter Milch als Mindestpreis gezahlt wird, um überhaupt die wirtschaftlichen Entstehungskosten zu decken.
Zum Schluss noch etwas Lustiges aus der Rubrik „Bunte Blätter“ des „Saydaer Anzeigers und Tageblatts:
Der Stadtrat Schnelle, dem die Stadt Aschersleben eine völlig verwanzte Wohnung in einem städtischen Gebäude zugewiesen hatte, verließ diese Wohnung und zog eigenmächtig in ein anderes städtisches Gebäude. Da die Stadt ihn zwingen wollte, in die unbewohnbaren Wohnräume zurückzukehren, wehrte er sich dagegen im Prozeßwege. Die darüber entrüsteten Stadtväter haben jetzt kurzerhand beschlossen, den Posten des Stadtkämmerers, den Schnelle innehatte, künftig aufzuheben und Schnelle in den Ruhestand zu versetzen. Die Stadträte sind wahrscheinlich der Ansicht gewesen, daß sich ein einzelner Stadtrat leichter beseitigen läßt, als eine Unmenge von Wanzen.
Quelle: „Saydaer Anzeiger und Tageblatt“ 1925
Die Rechtschreibung ist vom Original übernommen worden.
Archiv Sayda / Dorfchemnitz- Petra Berger